#1

Katharinas Geschichte vom kleinen Glueck

in Geschichten 14.12.2009 00:51
von Juana | 81 Beiträge

Birgit Fischer

Katharinas Geschichte vom kleinen Glück

In der heutigen Zeit, wo Mitgefühl selten geworden ist, wo kaum jemand sich Gedanken über andere macht und die meisten Menschen nur an ihr eigenes Wohlergehen denken, gibt es ein kleines Wesen, was in einer Zauberwelt lebt. Dieses kleine Wesen ist ein Wurzelzwerg namens Nick, der allen Menschen helfen möchte, die nicht mehr weiter wissen, die sich allein gelassen fühlen und ohne jede Hoffnung sind. Ihnen erscheint der kleine Nick.

Er wohnt tief im Wald und wird von seinen Eltern und Geschwistern sehr geliebt. Seine Eltern sorgen für alle Zwergenkinder, die unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. Die Brüder pflegen kranke Bäume, die Schwestern kranke Tiere und er hat die Aufgabe, einsamen Menschen zu helfen, denn er hat die Gabe, deren Gedanken zu lesen. Jeden Morgen ziehen die Zwergenkinder los, um ihren Pflichten nachzugehen, während der Vater für das Essen sorgt und die Mutter den kleinen Zwergenhaushalt in Ordnung hält.

Auch der kleine Nick verabschiedet sich. Heute will er in die Stadt, weil er um die Gedanken einer alten Frau weiß, der er helfen möchte. Allerdings weiß Nick nicht genau, wer sie ist und wo er sie finden kann. Also stiefelt er los, um sie zu suchen. Zuerst begegnet er im Vorort der Stadt einigen älteren Frauen, die einen ganz zufriedenen Eindruck machen. Zwei Nachbarinnen unterhalten sich über den Gartenzaun hinweg und lachen über irgend etwas. Dann kommt ihm eine alte Dame mit ihrem Dackel Theo entgegen. Auch wirkt sie nicht traurig. Also heißt es für Nick weiter marschieren. Einige Kilometer muss er auf seinen kleinen Beinen zurücklegen.

Bevor Nickt endgültig die Stadt erreicht, durchquert er einen Park. An einem Teich mit Goldfischen sieht er eine alte Frau. Genau diese muss es sein. Sie sitzt ganz allein auf einer Bank und ihre Körperhaltung drückt so viel Hoffnungslosigkeit aus. Sie wirkt so allein gelassen und mutlos. Traurig schaut sie den Fischen zu und ihre Lippen bewegen sich. Redet sie etwa mit den Fischen? Nein, nein, sie spricht mit ihrem Mann, der sie vor zwei Jahren allein gelassen hat. Nick hört ihrem Zwiegespräch zu. Ach Gerhard, warum sind wir nicht zusammen weggegangen? Was soll ich noch hier? Ich habe zwar noch unsere Tochter mit ihrer Familie, die mich nach Deinem Tod zu sich geholt haben. Aber es hat keiner Zeit für mich. Am Anfang konnte ich ja noch so manches im Haushalt helfen, aber seit meinem Schlaganfall bin ich zu nichts mehr nütze.

Unsere Enkelkinder sind schon aus dem Haus. Malte studiert in einer großen Stadt. Ich weiß aber nicht mehr genau was, weil ich doch auch schon manches vergesse. Meike lebt in einem Internat. Du weißt ja, unser Schwiegersohn ist Rechtsanwalt und hat es zu etwas gebracht. Und unsere Tochter hat viele Verpflichtungen. Weißt Du, Gerhard, sie trägt immer nur feine Kleider, geht auf Veranstaltungen und wirkt ständig gehetzt. Wenn ich an unsere gemütliche kleine Küche denke, wo abends nur die kleine Lampe über dem Radio brannte und Du aus dem Märchenbuch vorgelesen hast, dann kommen mir die Tränen.

Wir hatten damals nicht viel zum Leben, aber wir hatten uns. Ich denke oft an diese Zeit zurück, wo unsere Gabi noch ein kleines Mädchen war. Über einen selbst gestrickten Pullover hat sie sich wie eine kleine Schneekönigin gefreut. Aber heute, mein Lieber, sieht alles anderes aus. Ich habe oft das Gefühl, dass sie mir fremd geworden ist. Selten kommt von ihr ein Lächeln, und in den Arm nehmen wir uns auch nicht mehr. So scheint die Zeit heute wohl zu sein. Und jetzt kommt mein eigentliches Problem, von dem ich Dir erzählen will. Da ich anscheinend nicht mehr allein im Haus bleiben soll, denn Gabi und Bert sind ja oft weg, wollen sie mir eine Schwester zur Seite stellen. Wenn ich das nicht will, soll ich in ein Altenheim. Für mich ist das eine so furchtbar wie das andere. Schon im Krankenhaus war es für mich kaum zu ertragen, dass mich ein Pfleger ausgezogen und gewaschen hat. Ich habe mich ja so geschämt und fast jedes Mal hinterher geweint.
Meine rechte Hand macht leider nicht mehr so mit, wie ich es möchte, und ich spreche auch sehr langsam. Für Dich, mein lieber Mann, wäre das alles kein Problem. Du hättest mich genauso lieb gehabt und mir geholfen. Leider bist Du nicht mehr da. Du bist nur noch tief in meinem Herzen."


Der kleine Nick hat sich neben die alte Frau auf die Bank gesetzt und kann all diese Gedanken lesen. Er muss und will ihr unbedingt helfen. Aber so schnell geht es eben doch nicht . Zuerst will er Katharina, so heißt die alte Frau, etwas Hoffnung geben, damit sie sich mit ihren Sorgen nicht mehr so allein gelassen fühlt. Er muss sich Katharina gegenüber bemerkbar machen, ohne sie zu erschrecken. Aber wie? Er überlegt ein Weilchen, dann kommt ihm eine Idee: Nick ruft aus einer Schar Spatzen seinen Freund Leo heraus. Der muss ihm helfen. Nick tuschelt einen Moment mit Leo, denn er hat einen Plan. Es sind insgesamt fünf Spatzen, die in der Nähe der bank nach Futter suchen. Um Leo, den Anführer der kleinen Schar, versammeln sich jetzt alle und überlegen, was sie tun können. Flip, der kleinste unter ihnen, hat Bedenken. Er sagt zu Leo: "Weißt Du, Boss, die meisten Menschen halten uns Spatzen für vorwitzig und frech. Oft jagen sie uns fort. Wir tragen kein besonders schönes Federkleid und können auch nicht toll singen. Wird sie uns nicht einfach wegjagen, weil wir ihr lästig sind?" Leo nimmt sich den kleinen Flip zur Seite und sagt beruhigend zu ihm: "Kleiner, schau Dir doch diese lieben Augen von Katharina an, die Lachfalten, die trotz Kummer ihr Gesicht prägen. Sie sieht nicht so aus, als will sie uns wegscheuchen. Und wir wollen ihr doch helfen, wir müssen es einfach riskieren, "Also wird Flip diese Aufgabe übertragen. Er ist nicht nur der kleinste, auch der niedlichste der Spatzen und seine dunklen Augen können einen schon zum Lachen bringen. Los geht's. Flip spaziert zuerst vor Katharinas Füßen auf und ab, allerdings ohne ihr zu nahe zu kommen. Denn ganz so mutig ist er doch nicht. Er schlägt mit seinen kleinen Flügeln und tut so, als suche er Futter. Aus den Augenwinkeln beobachet er jedoch die alte Frau, ob sie ihn vielleicht doch verscheuchen will. Flip tänzelt hin und her und sieht, dass auch sie ihn beobachtet. Sieht sie ihn wirklich an oder schaut sie über ihn hinweg? Jetzt endlich wagt er es, neben sie auf die Bank zu fliegen, natürlich in gebührendem Abstand. Katharina scheint verwundert, dass ein kleiner Spatz ihr so nahe kommt. Sie spricht ihn an: "Na, kleiner Piepmatz, hast Du keine Angst vor mir?" In diesem Augenblick verschwindet der kleine Flip und Nick sitzt auf einmal neben ihr. Katharina scheint sich nicht zu erschrecken, aber sie schaut verwundert. Wer bist Du denn, kleiner Mann?", sagt sie zu Nick. Der kleine Nickt erzählt ihr von seinem Zuhause und welche Aufgaben er zu erfüllen hat. Katharina hört dem kleinen Zauberzwerg ganz gespannt zu und denkt: "Gerhard, den kleinen Mann hast Du mir bestimmt geschickt".

Der kleine Nick hat zwar auch noch keine Lösung für Katharinas Probleme, aber schon das Gefühl, dass sie nicht mehr so allein ist mit ihren Sorgen und Ängsten, macht die alte Frau glücklich. Nick verspricht ihr noch, sofort zu erscheinen, wenn sie ihn braucht. Frohen Mutes macht sich die alte Frau auf den Heimweg. Auf ihrem Gesicht liegt ein zufriedenes Lächeln. Sie geht in ihr Zimmer, setzt sich in ihren Sessel und schaut versonnen aus dem Fenster. Als sie später zum Essen gerufen wird, scheint sie für die anderen abwesend zu sein. Katharina sagt nicht viel. Ihre Tochter Gabi aber sieht sie besorgt an und denkt "Oh Gott, jetzt ist meine Mutter langsam am Verkalken, das fehlt mir noch". Gewöhnlich bleibt Katharina immer noch etwas bei ihrer Tochter sitzen in der Hoffnung, diese wird sich mir ihr unterhalten, was natürlich weit gefehlt ist. Heute jedoch geht sie gleich nach dem Essen fort. Sie möchte ihren Gedanken nachhängen.

Die Begegnung mit dem kleinen Nick hat sie froh gestimmt und sie hat keine Angst mehr vor der Zukunft. Sie weiß, dass sich nun immer wieder jemand um sie kümmern wird und sie nicht alleine mit ihren Sorgen und Ängsten ist. Auch wenn es diesen kleinen Zauberzwerg in der Wirklichkeit gar nicht gibt. Für sie existiert er aber und ist immer in ihrer Nähe.

geschrieben von Birgit


zuletzt bearbeitet 14.12.2009 00:51 | nach oben springen

#2

RE: Katharinas Geschichte vom kleinen Glueck

in Geschichten 27.12.2009 20:07
von monika15 | 47 Beiträge

Eine wunderschöne und stimmungsvolle Geschichte, leider gibt es sehr viele Menschen, die wirklich einsam sind,
und man sollte sein Herz nicht davor verschließen.
Danke Birgit

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